Historisches zum Thema Strandgut

"Und wenn ich nichts finde - es treibt mich zum Strand"

Früher waren "Stranner" unterwegs, um den Ufersaum nach Strandgut abzusuchen.
Das Sonntagsjournal berichtete im Jahre 2001 mit einem Artikel und Fotos von Hein Carstens aus der spannenden Geschichte der Strandungen an Wurstens Küste.

(Samtgemeinde Land Wursten)

"Wenn der Nordwestwind kräftig pustete und die Wellen sich am Ufer des Vorlandes brachen, so dass die Gischt hoch aufschoss, dann hielt uns nichts mehr zu Hause. Es trieb uns geradezu an den Strand." So kann man es heute noch den Erzählungen der Altfischer aus Wremen und Dorum entnehmen, wenn sie aus ihren Jugendtagen - aus jener Zeit, als sich das "Strannen" noch lohnte, berichten. "Strannen" - die Leser aus dem Binnenland werden es nicht kennen - so nennen die Küstenbewohner das Absuchen von Strandgut am Ufersaum, vornehmlich nach bewegten, hoch aufgelaufenen Fluten.

Ein Stranner beim Zerkleinern seiner "Beute".
2 Winter und nur 1Sommer stehen vor der Tür.
Die riesigen Schiffe moderner Bauart liegen fest in der See; da spült nicht mehr viel von Deck. Das war früher vor rund 60 Jahren bei den kleineren Dampfern und erst recht bei den Seglern noch anders; da ging relativ viel über Bord. Zur Freude der Küstenbewohner. Für die Menschen unmittelbar hinter den Deichen war das "Strannen" vor mehr als einem halben Jahrhundert wie ein Lotteriespiel. Man hoffte immer auf den großen Coup. Und wenn nichts Großes dabei herauskam, dann wurde das beherzigt, was Muttern zu Hause den Kindern auf plattdeutsch nachrief, wenn sie an stürmischen Tagen zum Strand eilten: "Bringt wenigstens Holz mit!" Schließlich war Strandholz als Feuerholz sehr begehrt.


Häufig gab es auch nichts anderes außer Holz zu stranden, da bekanntlich aber das Glück dem Fleißigen hold ist, hatte so manch eifriger Strandgänger hin und wieder auch reichere Beute mit nach Hause zu transportieren. 1925 ließ die Flut am Wremer Strand eine Kostbarkeit ganz besonderer Art liegen. Julius Harms (Der Name wurde vom Webmaster nicht geändert.) aus Wremen sichtete an einem stürmischen Herbsttag ein Riesenfass. Als er es zu Hause öffnete, schlug ihm ein betäubender Duft entgegen: Es war spanischer Rotwein allererster Güte. Harms meldete den Fund dem Strandvogt, wie es sich gehört. Weil sich aber nach einer bestimmten Zeit kein Eigentümer meldete, durfte der strandende Bäckermeister das Fass behalten.

Auf der Suche nach Feuerholz aus dem Meer.
Noch heute erzählt man sich im Nordseebad, dass ein solch fröhliches Strand-Finderfest in Wremen selten gefeiert wurde - drei Tage lang!
Die alten Strandkladden von vor rund 150 Jahren sind spannende Geschichtsbücher. Eine wahre Fundgrube ist auch die von Pastor Müller verfasste Wremer Chronik. Vermutlich in der Neujahrsnacht 1821 strandete nach einem mäßigen Sturm im schlickigen Watt nahe des jetzigen Wremer Kutterhafens ein russisches Schiff, das von der Mannschaft verlassen worden war.

Die "Stranner" machten kugelrunde Augen, als sie im Laderaum zwei Tonnen mit Kopeken entdeckten. Natürlich lieferten sie das Geld umgehend dem Strandvogt
ab und erhielten später über die damalige hannoversche Regierung einen beachtlichen Finderlohn. Der russische Eigner schrieb:" Zwar sey im Sturmgebraus wohl nicht alles Geld wieder angelangt an den Elb-Weserstrand. Dennoch sind wir über alle Maßen beglückt über die ehrlichen deutschen Hertzen von dem uns so fernen Nordseestrand im Lande Wursten..." Elf Jahre später lag wieder ein "dicker Fisch" in Form des Segelschiffes "Sirius" auf dem Wurster Watt: 8000 Reichsthaler wurden geborgen. Ein besonders fetter Brocken für die "Stranner" war das bei Scharhörn am 30. Dezember 1855 aufgelaufene Vollschiff "George Canning". "Diese Nacht war für die Wurster ein verspätetes Weihnachtsgeschenk", schrieb damals ein junger Wremer seinem Bruder. Kolonialwaren, Bälle, Puppen, Rohgummi und wasserdicht verpackte Uhren "ergossen sich in riesigen, noch nie dagewesenen Mengen über den Wurster Strand".

Rum-Tanker vor Wremen 1970 strandete dieses Schiff in der Nähe von Solthörn bei Wremen.

Die geborgene Ladung wurde natürlich nicht vollständig bei den Strandvögten abgegeben. Früher war es üblich, dass die gestrandeten Waren nach einer gewissen Zeit öffentlich versteigert wurden. Voraussetzung war: Besitzer oder Versicherung mussten damit einverstanden sein. Diese Versteigerungen glichen ein ums andere Mal wahren Volksfesten. Erstaunt waren die Gäste bei der Versteigerung der "Canning-Ladung", dass ein Wirt den Grog - im Vergleich zu seinen Kollegen - recht billig anbot. Kein Wunder, hatte der Glückspilz doch drei Fässer Rum im Schilf vor Misselwarden entdeckt. In seiner Kneipe lasen die Gäste lange Jahre den Spruch: "Gott segne uns den Strand und beschütze allzeit unser ehrlich Wurster Land".

 

Schottwarden, Hofe, Wremen,
wi möt noch'n Lütten nehmen
und stöten an op goden Wind
för all de Schipp, de buten sünd.

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