Reetroofing
eine beliebte Methode für ein gemütliches Zuhause
Noch vor gar nicht langer
Zeit gab es im Nordseebad Wremen, wie überall in der Wurster
Marschenlandschaft noch eine große
Anzahl von Strohdachhäusern. Die großen landwirtschaftlichen
Gehöfte aber auch die noch existierenden kleinen reetgedeckten
Fischerkaten prägten in ganz besonderer Weise das Bild der
Dörfer. Der Reetdachdeckermeister war eine angesehene Person
im Ort, es gab viel zu tun, die Branche boomte. Heute sind diese
Häuser allerdings eine Rarität und man ist darum bemüht
sie als Zeitzeugnisse aber auch als wunderschöne Wohnimmobilien
zu erhalten.
Ganz billig
ist das "Vergnügen" heute allerdings nicht mehr.
Der Rohstoff ist knapp, die Arbeitskraft und das Know how sehr
teuer bis gar nicht mehr vorhanden und versicherungstechnisch
ist das Leben unterm "Weichdach"
auch fast doppelt so teuer wie unter Ziegeln. Das Feuerrisiko
ist eben
nicht ganz unerheblich. Das die Versicherungen das Reet als Dacheindeckmaterial
eigens erfunden haben, um teure Prämien zu kassieren ist
empirisch-wissenschaftlich allerdings nicht belegt. Diese Geschichte
gehört wohl auch in die Literaturabteilung "Fabeln,
Sagen und Märchen".
Früher
war Reet ein billiger Baustoff und auch wenn's um Wremen herum
nicht genug gab, war es immer noch günstiger das Material
aus Hechthausen oder über den Wasserweg aus Dedesdorf ins
Nordseebad zu "importieren" als teure Tonziegel zu verwenden.
Unsere Fotos zeigen die Ernte oder das Schlagen des Reets im Winter
und die Zwischenlagerung auf den Feldern der Marsch. Ach hier konnten die
Bauherren sparen. Im Winter hatte man halt Zeit. Auf den Höfen
ging es in dieser Jahreszeit etwas ruhiger zu und so
konnte man viel Eigenarbeit einbringen.
Reet war aber
nicht nur billig sondern auch famos. Nicht nur das wunderschöne
Aussehen, auch die hervorragenden physikalischen Isoliereigenschaften
der hohlen Halme haben es -heute noch- den
Reetdachfans angetan. Unterm Reetdach bleibt im Winter die Wärme
drinnen und die Kälte draußen. In den damals noch vorkommenden
heißen Sommern sorgte das Reetdach für ein erträgliches
Klima im Haus.
Die Dachdecker
waren Spezialisten ihres Fachs, ihre Werkzeuge hatten mit denen
der heutigen Zunft ebenso wenig zu tun, wie die Baumaterialien
mit denen sie sich befassten. Hier die industriell und mit hohem
Energieaufwand gebrannten oder gefertigten Ton- und Betonziegel
und dort die natürlich gewachsenen und daher ökologisch
besonders wertvollen "Strohhalme". Bei genauer Betrachtung
auch eine frühe Form der regenerativen Energieeinsparung
und -gewinnung. Vielleicht ist sogar ein bißchen "Bionik"
dabei. So heißt das ja heute auf neudeutsch, wenn wir der
Natur etwas abgucken und in neue Techniken umsetzen.
Theodor
Hamers war ein solcher spezialisierter Wremer Dachdeckermeister,
der die gute alte Kunst des Reetdachdeckens noch beherrschte.
Assistiert von seinem Gehilfen Wilhelm Meyer haben die beiden
in der Vergangenheit eine große Anzahl von Dächern
neu eingedeckt oder ausgebessert. Das Foto zeigt eine Baumaßnahme
der Familie Klafak an der Wurster Landstraße in Wremen.
Die Bauträger ließen es sich nicht nehmen, den Handwerkern
von der Leiter aus einmal aus nächster Nähe genau auf
die Finger zu schauen. Wohl dem, der schwindelfrei ist!
So schön
und nützlich das Baumaterial nun aber auch sein mag, es hat
neben der leichten Entzündlichkeit einen weiteren eklatanten
Nachteil: Reet ist fürchterlich staubig und trocken. Und
da man eine Verarbeitung des Materials zumeist in regenfreien
Wetterperioden anstrebt, kommt
-neben der ohnehin geringeren Entfernung des Arbeitsplatzes zur
Sonne, einhergehend mit erhöhten Temperaturen- eine sehr
geringe Luftfeuchtigkeit als zusätzliche Belastung für
die fleißigen Bauhandwerker dazu. Theodor Hamers, wen wundert's,
kannte auch hier ohne Gewerkschaft und Berufsgenossenschaft eine
Abhilfe.
Ein frisches, kühles "Karlsburg" oder "Wappen-Export"
aus Bremerhaven und die gute Befindlichkeit war wieder hergestellt.
Mehr schöne
Bilder und Informationen über Reetdachhäuser findet
man übrigens im Wremer Kalender 2003.
Herausgeber: Wremer Heimatkreis 85 e.V. Kontakt mailto:willy@jagielki.de